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Der Nutri Score und seine Tücken 25.02.2021

Verantwortlicher Autor: Uwe Hildebrandt Berlin, 26.02.2021, 15:35 Uhr
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Bei diesen gesunden Lebensmitteln brauchen wir kein Scoring
Bei diesen gesunden Lebensmitteln brauchen wir kein Scoring  Bild: Image by silviarita from Pixabay

Berlin [ENA] Seit gefühlten ewigen Zeiten, spätestens als viele sogenannte Fertiggerichte den Markt überschwemmt haben, wurden Regelungen laut die auf den Verpackungen Angaben zum Nährwert enthalten mußten. Die Idee dahinter war natürlich nicht, herauszufinden, welches Produkt besonders gesund war.

Sondern eher, festzustellen, welches Produkt in Sachen Zucker, Kohlenhydrate und gesättigte Fettsäuren besonders viel enthielt und damit zu einer ungesunden Ernährung beitragen würden. Dann wurde eine Angabetabelle mit allen Angaben über den sogenannten durchschnittlichen Nährwert geschaffen, das auch weitere Angaben wie Salzgehalt, Eiweiß und ungesättigte Fettsäuren enthalten mußte. Dazu mußte eine Aufschlüsselung über einen Basiswert des Produktes erfolgen, z.B. 100g, desweiteren eine Aufschlüsselung beim Verzehr des kompletten Produktes und der prozentuale Anteil der empfohlenen Tagesmenge eines jeden Stoffes.

Inzwischen sind auch Angaben von Stoffen, die möglicherweise Allergien auslösen oder Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen können, angabepflichtig. Dazu gehören auch die E-Nummern, Zusatzstoffe aller Art. Viele Hersteller sind deshalb dazu übergegangen, da diese Angaben nicht immer auf ein kleines Produkt passen, zusätzlich eine Hotline oder Internet – Adresse anzugeben, wo man weitere Informationen zum Produkt nachlesen oder nachfragen kann.

Doch all das reichte Frau Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, nicht. Ihr schwebte eine Darstellung vor, die Produkte einfach und klar erkennbar, z. B. in Farben und Buchstabe so wie beim Energielabel, dem Kunden zeigt, wie gut oder schlecht das Produkt in Sachen Inhaltsstoffe ist. Mit Inhaltsstoffe sind die obigen Punkte gemeint. Insbesondere in Sachen Fettgehalt und Zucker sollen die Produkte diese Art Ampelfunktion haben. Dachte ich zumindest. Aber nein, Frau Klöckner erklärt es anders: Der Nutri Score zeige nicht, ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund sei, da nur gesundheitlich unbedenkliche Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden dürften. So lt. Auskunft auf der Internetseite des BMEL.

Wie jetzt ? Natürlich ist ein Produkt mit 80 % Fett im Vergleich zu einem Produkt gleicher Art mit 50 % Fett ungesünder, natürlich ist ein Eistee der pro 100ml 40g Zucker enthält ungesünder als ein gleicher Eistee mit 20g Zucker pro 100 ml. Was redet Sie da ? Was soll denn dann das Ganze ? Das ist ja undurchsichtiger als alle anderen herkömmlichen Angaben. Insbesondere deshalb, weil der Nutri Score Werte verrechnet. Das ist wie bei der Schule. Bist Du in einem Schulfach mündlich 2 aber schriftlich 5, dann bekommst Du eine Zeugnisnote 3 – 4. In diesem Fall des Nutri Score kann das offensichtlich der Hersteller aussuchen, weil ja eine Kontrolle nicht stattfindet.

Der Unternehmer berechnet seinen Nutri Score eben mal selbst. Das ist praktisch. Aber Frau Klöckner beteuert, kein Hersteller könne sich sein Wert günstig rechnen, es gäbe klar vorgegebene Berechnungstools. Ach wirklich ? Insofern ist auch nicht klar dargestellt und schon gar nicht für die Verbraucher, wie eigentlich die verschiedenen Werte miteinander zu einer Farbe verrechnet werden und welcher Wert womöglich mehr als ein anderer zählt usw. Aber weil Frau Klöckner Aktionismus zeigen will und offensichtlich die Verbraucher nicht in der Lage sieht, die bereits gemachten Angaben auf den Verpackungen zu finden, zu lesen und zu verstehen.

Nunmehr seit Herbst 2020 ist diese Regelung, die gar keine ist, am Start. Am Start deshalb, sie ist völlig freiwillig, nunmehr mischen sich Nutri Score Verpackungen mit Verpackungen herkömmlicher Angaben, und der Kunde hat es jetzt noch schwerer, zu vergleichen, welche von 2 Produkten denn nun empfehlenswerter ist es zu kaufen oder nicht. Es gibt auch keine Kontrollstelle, die nachprüft, ob das Produkt auch wirklich dem Aufdruck entspricht, und so ist natürlich die Frage, wer eigentlich bestimmt, wann ein Produkt von grün nach gelb usw. rutscht. Der Hersteller allein. Das ein solches Zeichen in der Entwicklung mehrere Wissenschaftler bedarf, ist mir dann doch ein Rätsel, wenn man bedenkt:

Diese Anzeige ähnelt dem Energielabel bei Elektrogeräten, abgesehen von A+, A++ oder gar A+++. Aber wie informierte Bürger ja wissen, wird das bisherige Energielabel sowieso verändert. Zum Thema, das sich kein Hersteller seinen Nutri Score schönrechnen kann: Gerade vor wenigen Tagen ist ein Hersteller eines Puddings mit dem falschen Aufdruck eines Nutri Scores in die Schlagzeilen gekommen. Nur durch Zufall wurde dieser falsche Aufdruck entlarvt. Auf Nachfrage beim Hersteller zeigte sich dieser einsichtig und wolle ab Mai 2021 den richtigen Wert aufdrucken. Wie großzügig. Ich lach mich weg. Ich glaube nicht an einen Produktionsfehler aus Versehen.

Eine Geschichte für den Weihnachtsmann. Und dann tritt der ganze Widerspruch doch zutage, wenn man mal genau die Ausführungen beim BMEL durchliest. Ich wiederhole die Aussage der Webseite: Der Nutri Score zeige nicht, ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund ist. Unter FAQ für Verbraucher dann diese Auskunft (Zitat): Es gilt jedoch generell: Innerhalb einer Produktgruppe trägt ein Lebensmittel mit grüner A-Bewertung eher zu einer gesunden Ernährung bei als ein Produkt mit rotem E (Zitatende). Wie nennt man das: Spitzfindig. Markenrechte Nutri Score: Santè publique France

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